
Nach der gestrigen Vernehmung von Justizminister Dr. Benjamin Limbach (Grüne) im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss IV (PUA „OVG-Besetzung“) sieht sich die FDP-Landtagsfraktion NRW in ihrer Kritik bestätigt: Der Minister musste nicht nur „Federn lassen“, sondern schwere Fehler einräumen. Dr. Werner Pfeil, rechtspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, spricht von einem „eklatanten Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Prinzip der Bestenauslese sowie einer Verletzung der prozessualen Wahrheitspflicht gegenüber dem Oberverwaltungsgericht Münster“. Jetzt „sei zweierlei klar“, so der Liberale: „Zum einen wusste der Minister, dass das Besetzungsvotum rechtlich fehlerhaft zustande kam, weil es nicht auf einer Überbeurteilung basierte. Zum anderen ist er als oberster Dienstherr dafür verantwortlich, dass seinem Ministerium entscheidende Informationen gegenüber dem Oberverwaltungsgericht Münster vorenthalten wurden. Das ist ein doppelter Rechtsverstoß, für den der Justizminister Verantwortung trägt.“
Kein Verfahren nach Recht und Gesetz
Entgegen seiner Darstellung habe der Minister aktiv an der Auswahl seiner Wunschkandidatin mitgewirkt. Die Enthüllungen über die sogenannte „Teamarbeit“ zwischen Frau Dr. T., Abteilungsleiter Herr H. und Limbach legen nahe: Die Entscheidung sei längst getroffen gewesen – lange bevor eine Überbeurteilung vorlag oder objektiv überprüfbare Auswahlkriterien zur Anwendung kamen. „Nicht die besten Qualifikationen waren entscheidend. Das ist keine Bestenauslese – das ist politische Günstlingswirtschaft“, kritisiert Pfeil. Tatsächlich wurde die Überbeurteilung, auf deren Grundlage das Besetzungsvotum eigentlich erfolgen sollte, erst zwei Monate nach dessen Erstellung fertiggestellt. Brisant: Auch die Anlassbeurteilung des Innenministeriums wies erhebliche Mängel auf.
Zudem wurden dem Oberverwaltungsgericht im Rahmen einer Konkurrentenklage zentrale Informationen verschwiegen – insbesondere zur Entstehung des Besetzungsvotums und zum unzulässigen Einfluss des Ministers. Das Gericht entschied auf Grundlage einer unvollständigen Aktenlage. Pfeil weiter: „Dem Gericht wurde nur das Besetzungsvotum vorgelegt – nicht jedoch der Weg dorthin. Das gesamte Verfahren war damit fehlerhaft und verfassungswidrig, weil die Überbeurteilung zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorlag.“
Täuschung des Rechtsausschusses
Pikant: Selbst Justizminister Limbach räumte im Rechtsausschuss ein, dass dem Gericht alle relevanten Unterlagen hätten vorliegen müssen. In der 36. Sitzung des Rechtsausschusses vom 13. März 2024 erklärte er (APr 18/524, Seite 7): „Bei einem Konkurrentenstreit im Eilverfahren dürfen Prüfungsmaßstab, -umfang und -tiefe grundsätzlich nicht hinter dem Niveau eines Hauptsacheverfahrens zurückbleiben. (...) Das Gericht muss sämtliche Rechts- und Tatsachenfragen prüfen und aufklären, soweit es für die Entscheidung darauf ankommt.“
Dazu Pfeil: „Wir haben niemals dem Ersten Senat des OVG eine fehlerhafte Entscheidung vorgeworfen. Unser Vorwurf richtete sich stets gegen das Justizministerium, das dem Gericht nicht alle Informationen zur Verfügung gestellt hat. Das ist inzwischen belegt. Es gab Unterlagen ‚a.d.A.‘ und andere ‚z.d.A.‘ – und der Minister musste unter dem Druck vorgelegter Urkundsbeweise einräumen: ‚Wir haben das wie immer gemacht.‘“ Besonders schwer wiegt laut FDP: Minister Limbach wusste bereits am 13. März 2024, als er diese Äußerung tätigte, dass nicht alle Unterlagen dem OVG Münster vorgelegt worden waren. Damit wurde auch der Rechtsausschuss des Landtags NRW getäuscht.
Letzte Zeugen im Fokus – Staatskanzlei unter Beobachtung
Für die FDP-Fraktion ist klar: Der Justizminister ist politisch nicht mehr tragbar. Doch auch der Untersuchungsausschuss steht vor seinem Finale. Die Befragung von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und CDU-Bundesjustiziar Ansgar Heveling, der öffentlich von einer Koalitionsabsprache sprach, dürfte neue Erkenntnisse bringen. „Wir erwarten, dass nun auch die politische Verantwortung in der Staatskanzlei umfassend beleuchtet wird“, betont Pfeil.
Die FDP-Fraktion kündigt an, die weiteren Entwicklungen mit größter Aufmerksamkeit zu verfolgen – und erwartet abschließend einen schonungslosen Bericht des Untersuchungsausschusses.
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